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Frühling und Schicksal
Detlev von Liliencron
Das Fest ist aus. Ich bringe dich nach Hause.
Wie dunkel ist der Himmel. Seine Sterne,
Verschleiert, scheinen stumpf und flimmerlos,
Als wären sie aus Messing angelötet.
Wir biegen ein in einen Fahrweg, der
Mit starren, mächtigen Ulmen eingefaßt ist.
Links liegt ein weites Blachfeld ausgebreitet,
Durch das ein langer Güterzug sich quält;
Signallaternen schwenkt ein Weichensteller.
Rechts, kaum erkennbar, schlafen kleine Häuser,
Von Arbeitern bewohnt. Aus schlanken Schloten
Zieht sich ein träger grauer Rauch nach Osten,
Mohnblaue Flammen lecken aus den Öfen.
Fabrikgebäude stehen ringsherum,
Aus denen Hammerschlag und Kolbenstöße
Ihr hartes Pflichtgeräusch der Welt verkünden.
Friert dich? Du schmiegst dich fröstelnd an mich an.
Ich halte dich und fühl dein warmes Herz.
Wir gehen langsam unsre Straße fort.
Zuweilen beugt sie ihre Stirn zurück,
Daß die ergebungsvollen schwarzen Augen
Durch Astwerk und Gezweig nach oben sehn.
Sie spricht kein Wort. Die Hand doch drängt mich schwach,
Wenn ich zu stürmisch meine Liebe zeige.
So unter Wehren und Gewähren, sind
Wir endlich an der Villa angekommen.
Zwei Leonberger, rechts und links der Pforte,
Haben sich hinterm Riegel aufgerichtet,
Die Vorderpfoten an die Stäbe stützend.
Die Schweife wedeln, weil sie beide wissen,
Daß ihre Herrin ungefährdet ist.
Auf morgen? Ja. Ein letzter Kuß. Allein.
Zur Ruhe jetzt? Um Gotteswillen: nein!
So schlendr' ich in die kühle Dämmerung.
Schon läßt das Zwielicht einzelnes erkennen:
An jedem Grashalm wuchtet dicker Tau,
Auf Wiesen weilt der Nebel, und im Nebel
Mault mit geklemmtem Schwanz ein feister Schimmel,
Der sich frostmüde nach dem Stalle wünscht.
Nun treten bunte Farben aus dem Grau:
Ein rotes Tulpenbeet in einem Garten,
Das erste zarte, helle Grün der Linden,
Des übervollen Faulbaums weiße Trauben,
Die gelbe Butterblume an den Gräben,
Und stahlblau, eisig sturt ein kleiner Teich.
Ich nehme meinen Weg den Hügel aufwärts,
Und ruhe, Atem schöpfend, auf der Höhe:
Tief unter mir die schwere, reiche Marsch,
Unübersehbar Feld an Feld geteilt.
Die Birken um mich sind voll Vogellärm.
Zwei Föhrenwäldchen stehn nicht weit von mir,
Wie heilige Haine, die der Opfer warten,
Wo welke Liebeskränze in den Kronen,
Wo längstvergeßne Ruhmeskränze rascheln.
In einem dieser Föhrenwäldchen kniet
Ein kaum erblühtes, schon verblühtes Mädchen,
Und schmiegt die schmale Stirn dem Altarstein.
Dann heben ihre dünnen Ärmchen steil
Ein Bronzebecken voll von Wasserrosen,
Die sie der Göttin bringt. Ihr magrer Körper,
Zu schnell emporgeschossen, eckig, unschön,
Ist krumm, als hätt' ihn ewige Last gedrückt
Und kümmerliche Nahrung früh entkräftet.
Aus ihrem Antlitz starrt: Verratne Treue?
Entsagung? Heimweh? Grauen vor dem Tag?
Im andern Föhrenwäldchen steht aufrecht
Ein Krieger, erzumschient, von dessen Helm
Ein langer Roßhaarbusch entspringt; er hält
In den erhobnen Fäusten eine Rüstung
Von allerhöchstem künstlerischen Wert,
Die er im Kampfe seinem Feinde nahm.
Und diese Rüstung weiht er seinem Herrn,
Ares, dem Herrn des Himmels und der Erde.
Und alles klärt sich nun im blassen Schein.
Wie Märchenschlösser ragen da und dort
Aus Park und Büschen Gartenhäuser auf,
Die meilenfern am Horizont hin liegen.
Der Morgen saugt die Nacht in seine Lungen,
Schweigend. Da klingt von einem Friedhof her,
Den nirgends meine Blicke finden können,
Choralmusik. Wenn ich einmal muß scheiden.
Mir ist, als stände ich nach großer Schlacht
Inmitten zwischen Leichen, zwischen Trümmern,
Und eine Siegerin geht die Sonne auf.
Ihr erstes Licht füllt eine Blutbuche,
Durchglüht sie, heftet sich an jedes Blatt;
Wie Kesselkupfer gleißt der rote Baum.
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