Tod und Dichter
Gottfried Keller
Tod:
Deiner bunten Blasen Kinderfreude
Hängt und bricht an meiner Sensenschneide,
Wirf zur Seite nunmehr Rohr und Schaum,
Mache dich auf, aus ist der Traum!
Dichter:
Halte weg die Sense! Lasse steigen
Meiner Irisbälle bunten Tanz!
Tod:
Schon an meinem Schädel platzt der Reigen,
Und ein Ende nimmt der Firlefanz!
Dichter:
Lass! Ich will dich als das Beste preisen,
Trost und Labsal alles Menschentumes!
Tod:
Nicht bedarf ich Schrecklicher des Ruhmes;
Spare deine falschen Schmeichelweisen!
Dichter:
Weh, noch schuld' ich manche schöne Pflichten!
Tod:
Reif genug schon bist du den Gerichten!
Dichter:
Doch die lieblichste der Dichtersünden
Lass nicht büssen mich, der sie gepflegt:
Süsse Frauenbilder zu erfinden,
Wie die bittre Erde sie nicht hegt!
Tod:
Warum hast du solchen Spass getrieben,
Schemen zu ersinnen und zu lieben?
Dichter:
Sind sie nicht auf diesem kleinen Sterne,
Blühn sie doch wo in der Weltenferne,
Blut von meinem Blute; zu verderben
Bin ich nicht, eh' jene sterben!
Tod:
Ei, da fahr' ich hin, sie wegzumähen,
Und sie müssen gleich mit dir vergehen!
Dichter:
Hui! Da fährt er hin ins Unermessne
Und ich bin der glückliche Vergessne,
Spiele weiter in des Lebens Fluten,
Bis er findet jene schönen Guten!
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