Ein Bauerngrab
Detlev von Liliencron
Wo in der Kirche kühlen Gängen
sich Fliese dicht an Fliese reiht
und Gräber sich an Gräber drängen,
ist jeder Wappenspruch geweiht.
Hier ruht in sechsundneunzig Truhen
ein alt Geschlecht vom Leben aus,
in Seidenstrumpf und Eisenschuhen,
im Panzer und im Genter Flaus.
Die Ritter sind drauf ausgehämmert
mit Helm und Schwert und Schilderein.
Und wenn der Abend sie umdämmert,
dann ist der Clan für sich allein.
Wie auf den Bildern alter Meister:
Familien, Kinder, Elternpaar,
gleich Orgelpfeifen: Biedergeister,
die Hände hebend zum Altar:
So sind auch hier sie ausgehauen,
gleich Orgelpfeifen Kind bei Kind,
als Schluß nach oben Väter, Frauen,
die zum Gebet versammelt sind.
Doch draußen auf dem Gottesgarten
liegt eines freien Bauern Stein.
Er will den jüngsten Tag erwarten,
dann steht er auf aus seinem Schrein:
»Ick wär en Buer as 'n König,
en Buer wär'k, keen Eddelmann.«
Das klingt wie pauk- und harfentönig,
stolz wie ein edler Feldtyrann.
Er läßt sich aus dem Marmor graben,
kann's dort der Ritter, kann er's hier:
Statt eines Wappens Zier und Gaben:
Den Pflug, den Kornsack und den Stier.
Gleich Orgelpfeifen knien die Kinder,
sechs Töchter links, sechs Söhne rechts,
voran zwei Erdreich-Überwinder:
Vater und Mutter des Geschlechts.
Und zwischen Ahnmann und der Ahne
und ihrem ganzen Nachwuchshauf
steigt Christus mit der Siegerfahne
frohlockend aus dem Grab herauf.
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