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Das Bildnis

Joseph von Eichendorff

Der Knab' im grünen Walde
Ließ gerne Flur und Feld;
Das Waldhorn ferne schallte,
So weit lag alle Welt.
Er fragte: was er weine
Auf blumenreicher Au,
Was dieser Frühling meine,
Die Lüfte mild und blau?

Er kam zum dunkelhellen
Wundersam grünen Ort,
Da rauschten Wald und Quellen
Zaubrisch in einem fort;
Die zogen sich um sein Herze,
Da mußt er niederknie'n,
Gebannt in süßem Schmerze,
Mocht' nicht mehr weiter ziehn.

Dort stand eine Jungfrau milde,
Mit Kron' und Edelgestein',
Die in das grüne Wilde
Sandten vielsüßen Schein.
Süß Singen auf und nieder,
Und Blühen zu schauen war,
Nicht Farben waren's, noch Lieder,
Eine Glorie nur mild und klar.

Himmlische Rosen neigen
Sich Ihr um Wang und Brust,
Sie selber schien zu schweigen
Vor Wehmut und vor Lust,
Wie diese Melodieen
Ihr schlagen an die Brust,
Als wollt' die Welt Sie ziehen
Liebend an Ihre Brust. -

»O Königin vielsüße,
Du schöne Waldesbraut!
Wie Dich auch alles grüße
Mit holdem Frühlingslaut:
Mehr kann Dir keiner geben,
Als ich Dir geben muß,
Es wird mein ganzes Leben
Zum blüh'nden Liebesgruß.

Wo bin ich denn gewesen
Entfernt von Dir so lang?
Jetzt bin ich erst genesen,
In süßer Liebe krank.
Ach! was ich lieb' und habe,
Es war ja immer Dein,
Lassend der Erde Gabe,
Bleib' Du die Geliebte mein!«

Wie Schmerzen süß zu Schmerzen
Neigend die Königin,
Reicht Sie von Ihrem Herzen
Ihm eine Blume hin.
»Die Blume wohl bewahre!
Soll ewig Dich umblühn,
Zieht Dich nach einem Jahre
Wieder zu mir in's Grün.«

Nun schwiegen Wald und Quelle,
Versunken war die Braut,
Der Wald tät' auf sich helle,
Weit in den Lenz er schaut.
Nun wußt' er, was er weinte
Allein auf grüner Au;
Was dieser Frühling meinte,
Die Luft so lind und blau.

Und wie der Lenz von neuem
Mit tausend Stimmen sang,
Da ward dem Vielgetreuen
In seinem Tal so bang.
Er kniete zu der Stunde
Hin an des Hügels Hang,
Die Blume an dem Munde,
Die duftend ihn durchdrang.

Und aus der Blum' erstunde
Ein Glorifizieren mild,
Und in des Kelches Grunde
Blühte der Liebsten Bild.
Es macht' das süße Wunder
Süß alle Tränen los,
Sog alle Sinne hinunter
In seinen Farbenschoß.

Ein wunderbares Glimmen
Nun aus dem Frühling brach,
Rings überschwänglich' Stimmen
Tief lockend wurden wach,
Die Geliebte sah er schwimmen,
Als ob Sie zu ihm sprach
Und dieses Stromes Stimmen
Zogen den Liebsten nach. -




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