Die beiden Liebenden
Gottfried August Bürger
Ein andrer werb um Ehr und Gold!
Ich werb um Liebe bei Selinden.
Mich kann allein ihr süßer Sold
An allgetreue Dienste binden.
Das Glück läßt manchen Ehrenmann
In seinem Dienst umsonst verderben.
Allein bei treuer Liebe kann
Der Hirt auch sichern Sold erwerben.
Ich bin kein großer reicher Herr,
Und sie ist keine hohe Dame.
Dagegen klingt viel reizender
Ein kurzer schäferlicher Name.
Dagegen herzen wir uns frei,
Sind sicher vor Verrätertücken,
Auch schielet keine Spötterei,
Wann wir uns Knie und Hände drücken.
Der Prunk der hochstaffierten Kunst,
Selbst die Natur im Feierkleide,
Berauben nie sie meiner Gunst,
Denn sie beschämt an Reizen beide.
Das tausendstimmige Konzert
Der Lerchen und der Nachtigallen
Ist mir kaum halb so lieb und wert,
Wann ihre Solotriller schallen.
Im Denken ist sie Pallas ganz,
Und Juno ganz am edlen Gange,
Terpsichore beim Freudentanz,
Euterpe neidet sie im Sange;
Ihr weicht Aglaja, wann sie lacht,
Melpomene bei sanfter Klage,
Die Wollust ist sie in der Nacht,
Die holde Sittsamkeit bei Tage.
Des Morgens, welch ein Malerbild!
Wallt sie hervor in leichtem Kleide,
Noch ungeschnürt, und halb verhüllt
Nur in ein Mäntelchen von Seide.
Entringelt auf die Schulter sinkt
Die Hälfte goldner Locken nieder.
Wie dann ihr rasches Auge blinkt,
So blinkt das Licht aus Quellen wieder.
Natur und Einfalt helfen ihr,
An ihrem kleinen Morgentischchen.
Des Busens und des Hauptes Zier
Sind Ros' und Myrt' in einem Büschchen.
Zu ihren Wangen wurde nie
Ein Pinsel in Karmin getauchet;
Und doch, wie Rosen, blühen sie,
Von Frühlingsodem aufgehauchet.
Wann sie an ihrem Tischchen sitzt,
So werd ich scherzend hingewinket:
»Komm, schmücke selbst dein Mädchen itzt,
Wie deiner Laun' am besten dünket!«
Und mich beflügelt ihr Gebot,
Sie unvermutet zu umfangen.
Dann schminkt mit hohem Morgenrot
Mein Kuß die jugendlichen Wangen.
Ihr Haar im Nacken reizet mich
Zu hundert kleinen Torenspielen.
Fast nimmermüde läßt es sich
In diesen seidnen Locken wühlen.
Sie äugelt nach dem Spiegel hin,
Belauschet meine Neckereien;
Sie schilt, daß ich ein Tändler bin,
Und freut sich doch der Tändeleien.
Drauf leg ich ihr die Schnürbrust an.
Vor Wonne beben mir die Hände.
Das Band zerreißt, so oft es kann,
Damit die Arbeit später ende.
Wie flink bin ich nicht stets bereit,
So liebe Dienste zu verrichten!
Doch flinker noch, zur Abendzeit,
Das Werk des Morgens zu zernichten.
Nun schlinget meine kühne Hand -
O Liebe, Liebe, welche Gnade! -
Ein sanftgeflammtes Rosenband
Ihr zierlich zwischen Knie und Wade.
Wie mir das Blut zu Herzen stürzt!
Nicht schöner wies sie Atalante,
Da sie ums Jawort, hochgeschürzt,
Mit ihren Freiern wetterannte.
Nun schwebt die Grazie vor mir,
Schlägt mit den Silberfüßchen Triller,
Und tanzet hin an das Klavier,
Und singt ein Lied, nach Weiß, von Miller.
Mit welcher Wollustfülle schwellt
Mein Herz der Zauber ihrer Kehle!
Hinweg, aus aller Gotteswelt,
Gen Himmel singt sie meine Seele!
Der Morgen eilt, man weiß nicht wie.
Zur Mahlzeit ruft die Küchenschelle.
Ihr gegenüber, Knie an Knie,
Und Fuß an Fuß, ist meine Stelle.
Hier treiben wir's, wie froh und frei!
Uns fesselt kein verwünschter Dritter.
Die beste Fürstenschmauserei
Ist gegen solch ein Schmäuschen bitter.
Selinde schenkt mir Nektar ein.
Erst aber muß sie selber nippen.
Hierauf kredenzet sie den Wein,
Mit ihren süßen Purpurlippen.
Der Pfirsich, dessen zarten Flaum
Ihr reiner Perlenzahn verwundet,
Wie lüstern macht er Zung und Gaum!
Wie süß mir dieser Pfirsich mundet!
Nach Tische läßt auf ihrer Brust
Mein hingesunknes Haupt sich wiegen.
Von Wein berauschet und von Lust,
Will schier die Sprache mir versiegen.
Ein volles Herz gibt wenig Klang;
Das leere klingt aus allen Tönen.
Sie fühlet dennoch seinen Drang;
Und ach! versteht sein stummes Sehnen.
Jetzt wird der Holden bang ums Herz.
Ein Mädchen ist ein banges Wesen.
Sie reichet mir, aus losem Scherz,
Verwirrten Zwirn, ihn aufzulösen.
Zwar findet sie mich ungeschickt,
Doch sucht sie mich nur hinzuleiern.
O List! Indem sie her sich bückt,
Muß sich ihr Busen selbst entschleiern.
Ein schlauer Blick wird hingesandt;
Allein der Dieb läßt sich betreten.
Ein Streich von ihrer weichen Hand
Rächt auf der Stell ihr Schamerröten.
Dann rückt sie weg und spricht nicht mehr;
Bedeckt ihr Auge; macht die Blinde;
Lauscht aber durch die Finger her:
Wie ich die Kränkung wohl empfinde?
Dann spiel ich einen Augenblick,
Doch nur verstellt, den Tiefbetrübten;
Und sie, o Wonne! springt zurück,
Versöhnt sich mit dem Vielgeliebten,
Umhalset ihn, weiß nicht genug
Mit süßen Namen ihn zu nennen,
Und Mund und Wange, die sie schlug,
Fühlt er von tausend Küssen brennen.
Wohl hundert Launen, kraus und hold,
Umflattern täglich meine Traute.
Bald singt und lacht, bald weint und schmollt,
Bald klimpert sie auf ihrer Laute,
Tanzt hin und wieder, blitzgeschwind,
Bringt bald ein Büchelchen, bald Karten,
Bald streut sie alles in den Wind,
Und eilt hinunter in den Garten.
Ich hinterher, ereile sie
In einer sichern stillen Grotte.
Freund Amor treibt, sie weiß nicht wie,
Sie tief ins Dunkel. Dank dem Gotte!
Sie bebt, von meinem Arm umstrickt.
Mein Kuß erstickt ihr letztes Lallen.
Sie sinkt. Ich halte sie entzückt,
Und - halt! - und lasse sie nicht fallen.
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