Die zwölf ermordeten Frauen
Schön-Heinrich der wollte spazieren gehn,
Schön-Ännelein wollte wohl mit ihm gehn.
Als sei eine Weile gegangen war'n,
trafen sie eine schöne grüne Wiese an.
Er breit't seinen Mantel wohl auf das Gras
und bat, daß sie sich niedersaß.
Schön-Heinrich legt sein Haupt auf ihren Schoß,
mit heißen Tränen sie ihn begoß.
»Weinst du um deines Vaters Gut?
oder weinst du um deinen stolzen Mut?
oder bin ich dir nicht gut genug?«
»Ich weine nicht um meins Vaters Gut,
auch nicht um meinen stolzen Mut,
Schön-Heinrich, ihr seid mir schon gut genug.
Ich weine nur um jene elf Jüngferlein,
die dort mit einem gar sondern Schein
in hoher grüner Tanne sein.«
»Ha! siehst du dort elf Jüngferlein
so wiss', das sind meine Weiberlein,
und du sollst stracks die Zwölfte sein.«
»Ha! soll ich stracks die Zwölfte sein,
verleihe mir noch drei Schreilein!«
Den ersten Schrei und den sie tat,
da rief sie Gott im Himmel an:
»Ach lieber Gott, komm balde,
sonst bleibt mein Leben im Walde!«
Den zweiten Schrei und den sie tat,
da rief sie ihren Vater an:
»Ach lieber Vater, komm balde,
sonst bleibt mein Leben im Walde!«
Den zweiten Schrei und den sie tat,
da rief sie ihren Bruder an:
»Ach lieber Bruder, komm balde,
sonst bleibt mein Leben im Walde!«
Der Bruder saß beim Bier und Wein,
da fuhr der Schrei zum Fenster hinein.
»Ach, Kinderlein, höret, groß und klein!
es ist, als hört' ich meine Schwester schrein!«
Er hatte das Wort kaum ausgesagt,
Schön-Heinrich schon in der Türe stand.
»Schön-Heinrich, wovon sind deine Schuh so rot,
als wären sie gefärbt mit rotem Blut?«
»Ei, sollten meine Schuh nicht blutig sein!
ich habe geschlachtet ein Täubelein.«
»Das Täubelein, das du geschlachtet hast,
das hat meine Mutter zur Welt gebracht!
Sie hat's erzogen mit Milch und Wein:
das ist mein jüngstes Schwesterlein.« -
Schön-Ännelein kriegte ein schönes Grab,
Schön-Heinrich der kam aufs höchste Rad.
Schön-Ännelein klangen die Glocken nach,
Schön-Heinrich schrien die Raben nach.
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